Zusammenfassung
Die Auffassung, dass durch
Mammographie-Reihenuntersuchungen (Screening) die Sterblichkeit an Brustkrebs
und damit die allgemeine Sterblichkeit von Frauen in nennenswerter Weise gesenkt
werden kann, hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Dies ist
das Ergebnis der von Olsen und Gøtzsche im Oktober 2001 publizierten
Untersuchung des renommierten Nordischen Cochrane-Centers in Kopenhagen, das
die seit 1963 in verschiedenen Ländern durchgeführten Screeningprogramme
bewertet.
Die Screeningprogramme werden von Olsen
und Gøtzsche unter qualitativen Gesichtspunkten gewichtet: Eine wesentliche
Stütze ihres Ergebnisses bildet das seit 1980 laufende nationale Screening in
Kanada, in dem die Untersucher und Untersucherinnen selbstkritisch zu einer
ablehnenden Haltung kommen: In der Gruppe der 40-49jährigen bei Eintritt in
das Programm stellten sie sogar mehr Todesfälle in der gescreenten Gruppe
fest als in der Kontrollgruppe. In der Gruppe der 50-59jährigen bei Eintritt
wurden zum Vergleich Frauen herangezogen, die eine Unterweisung in der
Selbstuntersuchung erhielten aber keine Mammographie. Das Ergebnis für diese
Altersklasse war, dass im statistischen Mittel beim Vergleich mit der
Abtastgruppe ebenfalls keine Senkung der Sterblichkeit durch Mammographie zu
verzeichnen ist.
Das kanadische Untersuchungsteam
empfiehlt seitdem mit großem Nachdruck den Verzicht auf das
Mammographiescreening und stattdessen die gezielte Früherkennung durch
Selbstuntersuchung nach professioneller Anleitung. Den Nutzen regelmäßiger
Selbstuntersuchungen haben sie selbst und andere Untersucher überprüft und
bestätigt.
Als weiterer Vorteil des
Mammographiescreenings gilt die Erreichung eines höheren Anteils
brusterhaltender Therapien. Hier kamen Olsen und Gøtzsche zu dem
überraschenden Ergebnis, dass dieses Ziel in den Mammographiegruppen
ebenfalls nicht erreicht wurde. Im Gegenteil ergab sich, dass in den
gescreenten Gruppen mehr Brustamputationen und radikalere Therapien
durchgeführt wurden als in den Kontrollgruppen.
Eine Erklärung für diese negativen
Resultate liefern die Autoren nicht. Wenn Mammographie nachweislich eine
effiziente diagnostische Methode zur Erkennung von Brustkrebs ist, dann muß
es Gründe für die fehlende Wirksamkeit des Screenings im Hinblick auf die
Sterblichkeit geben. Die plausible Erklärung liegt darin, dass durch die
Reihenuntersuchung selbst Schäden gesetzt werden. Röntgenstrahlen erzeugen
nachweislich Brustkrebs und ihre Wirkung wurde in der Vergangenheit
zweifellos unterschätzt.
Ein bislang unbeachteter Aspekt bei der
Propagierung des Screenings ist die sehr hohe Strahlenempfindlichkeit
genetisch prädisponierter Frauen (5-10 Prozent der weiblichen Bevölkerung),
auf die in Deutschland Frankenberg und Mitarbeiter, Universität Göttingen,
hinweisen. Frauen mit familiärer Disposition dürfen nicht mehrfach im Rahmen
eines Screenings geröntgt werden. Auch wegen dieser empfindlichen Untergruppe
in der Bevölkerung verbietet sich Mammographie als Reihenuntersuchung!
Der Hoffnung, durch verbesserte
Qualitätsanforderungen bei der Mammographie - und damit erhöhter
Treffsicherheit der Diagnose - bei gleichzeitiger Dosisminderung den Nutzen
des Screenings in Zukunft zu verbessern, ist neben den hohen Kosten auch das
erhebliche Präventionspotential gegenüberzustellen, das sich in den enormen
Unterschieden der Brustkrebssterblichkeit weltweit und auch innerhalb der
nationalen Gesellschaften ausdrückt. Diese werden auf unterschiedliche
Lebensweisen (lifestyle) zurückgeführt und sind größer als der auch von
Optimisten für erreichbar gehaltene Nutzen des Mammographiescreenings.
Echte Vorsorgemaßnahmen beim Brustkrebs,
die einen großen Effekt erwarten lassen, sind die Vermeidung von
Strahlenbelastungen besonders in jüngerem Alter und die Einschränkung von
Östrogenersatztherapien. Maßnahmen zur Früherkennung sind außer durch die
angeleitete Selbstuntersuchung durch Ultraschalluntersuchungen und
Kernspintomographie gegeben.
.
|